Das schrecklichste Geschehen für die Ortschaft Ottbergen und damit die schlimmste Katastrophe innerhalb des heutigen Stadtgebietes Höxter passierte am 22. Februar 1945 kurz nach 14:00 Uhr, als ein amerikanischer Luftangriff mit 33 viermotorigen Bombern auf Ottbergen etliche Wohnhäuser im Ortsteil Steinäckern zerstörte. Hauptsächlich betroffen waren die Hindenburgstraße, ein Haus in der Adolf-Hitler-Straße (heute Mittelstraße) sowie das neue Wohnhaus der damaligen "Papiermühle". Viele Einwohner hatten sich aus Angst in dem sogenannten "Sprung", einem Behelfsbunker unter dem Bahnkörper und der Bundesstraße geflüchtet, um Schutz zu finden.

Ausgerechnet dieser "Sprung" wurde von einer Reihe von Bomben getroffen, wodurch viele Menschen, die sich hier sicher wähnten, zu Tode kamen. Zweifellos war das Hauptziel dieses Angriffes der Bahnhof mit seinen Anlagen. Den eigentlichen Bahnhofsbereich traf jedoch nur eine einzige schwere Bombe, die auf dem Rangiergelände des westlichen Bahnhofsteiles niederging. Insgesamt wurden bei diesem Bombenangriff 90 Menschen getötet. Bei dieser Katastrophe musste auch die Feuerwehr Hilfe leisten.

Die Aula-Turnhalle der Schule diente als Abschiedsstätte für die 90 Opfer

Einsatz der Feuerwehr: In dem Buch "Der Kreis Höxter in jenen Tagen" von Hans Bölte wurde die Arbeit der Feuerwehr mit folgenden Sätzen erwähnt: "Fieberhaft wurde zunächst dort eingegriffen, wo man noch Leben vermuten konnte: unter den Trümmern der Häuser! Im Sprung zeigte sich nach der Bergung der Verletzten, dass dort für die anderen Hilfe zu spät kommen werde. Vom 22. bis 25. Februar waren an der Unglücksstelle immer zwischen 420 und 520 Hilfskräfte tätig, und zwar Pioniere aus Höxter, die Feuerwehren aus Bruchhausen, Godelheim und Ottbergen, Eisenbahnkräfte, Hitlerjugend und ausländische Arbeitskräfte. Die Pionierkräfte hatten immer eine Stärke von 260 bzw. 255 Mann."

Die Siedlung "Steinäckern" nach dem Bombenangriff

Bericht aus der Neuen Westfälischen von 2005:

Ottbergen (NW) Wäre die Bahn nicht gekommen, hätte es wohl auch nicht die Bombenabwürfe an jenem Donnerstag gegeben, die sich wie wenig sonst ins kollektive Ottberger Gedächtnis eingebrannt haben. Verschiebebahnhof und Stellwerk waren Ziele der alliierten Luftangriffe, erzählt Scheideler. Er selbst war damals viereinhalb. Zu jung, um selbst alles in Erinnerung zu behalten. Doch eine Szenerie des 22. Februars hat auch er verinnerlicht: das Bild getroffener, verbogener, senkrecht nach oben stehender Bahnschienen. Josef Lüke war damals zwölf. "Wenn man erst einmal anfängt zu erzählen, dann kommen die Erinnerungen wieder", sagt der 62-Jährige. Er wohnte in der Bruchhäuser Straße und hat den ersten leichten Angriff des Donnerstagmorgens miterlebt. Und er hat das Bombardement verfolgt. Hat gesehen, wie die Flugzeuge ab 14 Uhr sich von Südost näherten. Von Kreiensen über Northeim, Uslar und Meinbrexen hatten die Maschinen vom Typ "Mosquito" eine Schleife geflogen, deren letztes Ziel der Höxteraner Vorort sein sollte. Die von England gestarteten amerikanischen Maschinen verfehlten ihre Ziele jedoch weitgehend. Weder der strategisch bedeutsame Bahnhof noch die Ottberger Papierfabrik, die damals eine Waffenschmiede gewesen sein soll, wurden getroffen. Stattdessen ging ein hochexplosiver Hagel auf die Zivilbevölkerung nieder. Die Bilanz des in zwei Wellen geflogenen "Terrorangriffs", wie es offiziell hieß, war für Ottbergen ein gewaltiger Schicksalsschlag: 90 zum größten Teil in dem kleinen Dorf lebende Menschen starben. "Das sind rund fünf Prozent der Einwohner", ergänzt Scheideler.  Viele Personen starben in der Siedlung am Steinäcker. Noch geballter war der Schrecken - 50 Tote - im Tunnel am Sprung unter der B64. Den unmittelbar über den Köpfen der Schutz Suchenden nieder gehenden Bomben hielt der ausgewiesene Bunker Stand. Zum Verhängnis wurden die Abwürfe an den Ausgängen. Die Lungen der Menschen sind wohl durch die Wucht der Detonation geplatzt, vermutet Scheideler. In den ersten Jahren danach habe seine Schulklasse in Gummistiefeln am 22. Februar eine Art Schweigemarsch durch den Tunnel unternommen. 600 bis 700 Menschen, ganz Ottbergen, lebte von der Nachkriegszeit bis in die Siebziger vom Güter- und Personenverkehr des Schienenknotens. "Die Eisenbahn hat Ottbergen groß gemacht", weiß Scheideler. Und sie hat mittelbar die Gräber für die 90 Toten geschaufelt.